Nikolaus Groß (1898-1945)

„Christus ist der untrügliche Lehrer des sozialen Friedens, der siegreiche Überwinder der sozialen Zerklüftung, der alleinige Retter aus der gewaltigen Krise, die die Menschheit befallen hat.“

„[Der] letzte Beweggrund politischer Tätigkeit [darf] nicht die Aufstellung von Forderungen sein, sondern die Überzeugung von der Verpflichtung, für das Gesamtwohl dienen zu müssen…“
Nikolaus Groß wurde am 30.September 1898 in Niederwenigern (Ennepe-Ruhr-Kreis) geboren. Von 1912 – er war gerade einmal 14 Jahre alt – bis 1915 arbeitet er in einem Blechwalz- und Röhrenwerk in Altendorf. 1915 wechselte er auf eine Zeche in Bochum-Dahlhausen bis er 1920 wurde er Sekretär beim Gewerkverein christlicher Bergarbeiter wurde. Seit 1927 arbeitete Groß als Redakteur der Westdeutschen Arbeiterzeitung, die vom Verband der Katholischen Arbeiterbewegung KAB in Köln herausgegeben wurde. Als Mitglied der Verbandsspitze der KAB beteiligte er sich an den Widerstandsaktivitäten des so genannten „Kölner Kreises“. Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurde er verhaftet, vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 23. Januar 1945 in Berlin Plötzensee hingerichtet.

Hinter diesen dürren Fakten verbirgt sich ein reiches Leben, ein Leben, das zwei Kernfragen christlicher Existenz in der Moderne umschließt: die Konfrontation mit den Realitäten der industriellen Arbeitswelt und die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen durch ein totalitäres Regime. Die Antworten, die Nikolaus Groß auf beide Fragen gefunden hat, hängen offensichtlich zusammen. Sie tun das auf eine sehr spezifische Weise, der es nachzugehen lohnt. Mit der Seligsprechung von Nikolaus Groß durch Papst Johannes Paul II. am 7. Oktober 2001 hat die Aufmerksamkeit für diesen katholischen Arbeiterführer, Widerstandskämpfer und christlichen Märtyrer stark zugenommen.

Nikolaus Groß stammt aus einem katholischen Arbeitermilieu, in dem eine feste Bindung an die katholische Kirche und prakti-sche Arbeit an der Verbesserung der sozialen Verhältnisse Hand in Hand gingen. Politisch wichtig war ihm in erster Linie um die Emanzipation der Arbeiter. Ihre Stellung in der frühen Industriegesellschaft hatte er selbst er als unterprivilegiert erfahren. Dies begriff er als eine ungerechte Benachteiligung. „Gleichberechtigung und Gleichachtung“ der Arbeiter waren für ihn und natürlich auch für die gesamte katholische Arbeiterbewegung das zentrale Ziel des politischen Engagements. Gegen die Rechtstendenzen im deutschen Katholizismus postulierte er, dass dieser ein „absolut zuverlässiger Garant des demokratischen Volksstaates“ sein müsse.

Soziales Engagement, Solidarität mit den Mitmenschen und Übernahme von Verantwortung für die Gemeinschaft, wie sie sich hier abzeichneten, ergaben sich für Nikolaus Groß ganz selbstverständlich aus dem katholischen Glauben, wie er ihn in der Familie und der Gemeinde erfahren und in größeren Gemeinschaften immer wieder bestätigt gefunden hatte.
Widerstand gegen den Nationalsozialismus leistete Nikolaus Groß nicht von Anfang an. Ebenso wie viele seiner Mitmenschen hoffte er zunächst auf eine Zähmung des Nationalsozialismus in der Regierungsverantwortung. Grundsätzliche Opposition lehnte er auch nach der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes am 23. März 1933 ab, das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 begrüßte er als eine tragfähige Grundlage für die Fortsetzung der katholischen Verbandsarbeit. Dass die Hoffnungen trogen, wurde ihm bald bewusst. In der zweiten Hälfte der 30er Jahre konzentrierte Nikolaus Groß seine Aktivitäten zunehmend auf die Immunisierung der katholischen Arbeiterbewegung gegen die totalitären Ansprüche des Regimes. Dabei legte er besonderen Nachdruck auf die Bedeutung der christlichen Familie und auf den religiösen Erziehungsauftrag der Familienväter. Nachdem der Katholizismus zunehmend aus dem öffentlichen Raum verbannt wurde, kam den gläubigen Familienvätern nach seiner Vorstellung offensichtlich eine Schlüsselfunktion bei der Bewahrung der „Existenz im Lichte des Glaubens“ zu.

Darüber hinaus wurde in den Gesprächsrunden in der Kölner Verbandszentrale der KAB spätestens seit 1935 über politische Alternativen zum nationalsozialistischen Regime nachgedacht. Dies führte logisch zu der Frage, wie denn ein Deutschland ohne Hitler, ein Deutschland nach Hitler aussehen solle. Daraus ergab sich, verstärkt seit 1940, der Aufbau von geheimen Kontakten zu Gleichgesinnten, wobei konfessionelle und soziale Schranken im gemeinsamen Bewusstsein von der Notwendigkeit des Handelns für ein besseres Deutschland häufig überschritten wurden. Nikolaus Groß wirkte an der Entwicklung dieses Widerstandsnetzes in erster Linie als Organisator von Treffen, als Kontaktvermittler und Kurier mit.
An Selbstzeugnissen zu den Motiven, die Groß dazu führten, das Risiko des Widerstands auf sich zu nehmen, ist nur wenig überliefert. So zum Beispiel eine Äußerung im Gefängnis Tegel „Wenn wir heute nicht unser Leben einsetzen, wie wollen wir dann vor Gott und unserem Volke einmal bestehen.“ Groß sah anscheinend die Freiheit und Würde seines Volkes beschädigt und bedroht und betrachtete es als seine selbstverständliche Pflicht als Christ, an der Abwendung dieses Unheils mitzuwirken.
Die Nationalsozialisten sahen in Nikolaus Groß darum zu Recht einen politischen Gegner.

Da sein politisches Engagement aber ebenso in seinem Glauben wurzelte wie in seinen elementaren Lebenserfahrungen, stellt sein Tod zugleich ein Glaubenszeugnis dar. Nikolaus Groß nahm das Risiko des Todes auf sich, weil er es für seine Pflicht hielt, die Gemeinschaft aus dem Glauben zu gestalten. Eine solche Haltung nötigt uns großen Respekt ab, unabhängig von den eigenen weltanschaulichen und politischen Überzeugungen. Und sie erinnert eindringlich daran, dass es politische Werte jenseits nackter Interessenpolitik gibt, für die sich der Einsatz lohnt.

Was kann ein Mensch seinen Nachfahren Größeres hinterlassen als das Bewusstsein, sein Leben für die Freiheit und Würde der Menschheit gegeben zu haben?

Nominiert von Richard Göbelt, Berlin

Weitere Informationen

Literatur:
Groß, Alexander (1996). Papstbesuch, Zeitgeschichte und Seligsprechungen. VIEL ANPASSUNG UND WENIG WIDERSTAND. Wider die drohende Schönfärberei der Kirche im Dritten Reich. Publik-Form: S.26f.

Groß, Alexander (2000). Gehorsame Kirche – Ungehorsame Christen im Nationalsozialismus. Mainz.

Groß, Alexander (2001). Rom spricht selig – und verfälscht ein Leben. Der von Hitlerdeutschland ermordete Widerstandskämpfer Nikolaus Groß wird zur Ehre der Altäre erhoben. Sein Sohn protestiert. Publik-Forum. Nr. 17: S.24-28.

Aretz, Jürgen (Hg.): Nikolaus Groß. Christ – Arbeiterführer – Widerstandskämpfer. Briefe aus dem Gefängnis, Mainz 1993

Bücker, Vera: Nikolaus Groß. Politischer Journalist und Katholik im Widerstand des Kölner Kreises. Mit einem Essay über die Gefängnisbriefe von Alexander Groß. Geleitwort von Kardinal Georg Sterzinsky und Vorwort von Wilfried Loth, Münster 2003

von: http://wyd4all.org/index.php?id=50 C opyright © 2005 Wir sind Kirche – Jugend

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