Antonio Andrioli war bereits zweimal in Bruck. Er berichtete über die partizipative Demokratie, mit deren Einführung in Brasilien die Bürger in die kommunalen Haushaltsplanungen einbezogen werden sowie über die Probleme, mit denen brasilianische Bauern durch die Einführung der Gentechnik durch multinationale Konzerne zu kämpfen haben.

Diesmal berichtet er über neoliberale Konzernpolitik, Entwicklungshilfe und demokratischen Widerstand, der nur Erfolg haben wird, wenn er auch in den Industrieländern geführt wird.
Die Projektgruppe Demokratie des Sozialforum Amper berichtet über den forcierten Demokratieabbau in Deutschland.

Hunger ist die Folge von Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Weltweit hungern 850 Millionen Menschen, davon sind 70 % Bauern und Landlose. Der Zugang zu den Produktionsmitteln wird auf immer weniger Gruppen von Menschen begrenzt, und die Ausbeutung des Menschen und der Natur nimmt in einem bisher nicht gekannten Maße zu. Der politisch oder militärisch durchgesetzte Freihandel wird paradoxerweise als Lösung dargestellt, in Wahrheit schafft er ideale Bedingungen für die Unterwerfung von Ländern. Die Konzentration des Kapitals und die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen (48 Unternehmen haben so viel Kapital zur Verfügung wie 600 Millionen andere Menschen zusammen) und die Zunahme der Arbeitslosigkeit (1,2 Milliarden Arbeitslose weltweit) und der Armut sind die wichtigsten sozialen Probleme der neoliberalen Globalisierung.

Die sozial Ausgeschlossenen werden als inkompetent bezeichnet und die Armen für ihre eigene Armut verantwortlich gemacht. Die Logik des Systems führt zur Entwicklung einer zunehmenden Gewaltkultur in der Gesellschaft. Das Ausgrenzen vieler Gruppen und die zunehmende Trennung der sozialen Schichten tragen dazu bei, dass die versprochene Integration in das gesellschaftliche Leben nicht erfolgt. Sozial Ausgeschlossene sind ohne Perspektive in einer Gesellschaft, die sich nur noch an Konsumenten richtet und den Zugang zum öffentlichen Leben drastisch einschränkt. Die Umkehr dieser Prozesse muss sowohl in den Industrieländern als auch in den Entwicklungsländern erfolgen.

Die Verhinderung des Sozialabbaus in Deutschland hilft auch den Menschen in den Entwicklungsländern. Die zunehmende Enttäuschung und Empörung großer Teile der Bevölkerungen gegenüber den existierenden Formen repräsentativer Demokratie erfordern politische Alternativen. Die direkte Demokratie ist weltweit Gegenstand der politischen Auseinandersetzung geworden. In Europa kommt beispielsweise als Erweiterung und Radikalisierung der Demokratie die Idee des Beteiligungshaushaltes von Porto Alegre sehr gut an.

Auf der einen Seite haben politische Kräfte seit Gründung der BRD an der Demokratisierung der Strukturen und Verhältnisse gearbeitet, auf der anderen gegen sie. In Deutschland beobachten wir seit längerem einen Abbau demokratischer Rechte. Die Maßnahmen und Vorschläge des Bundesinnenministers Schäuble widersprechen den demokratischen und sozialen Erfordernissen. Der sogenannte Kampf gegen den Terror wird zum Kampf gegen die demokratischen Freiheiten der eigenen Bürger. Statt Angst vor Demokratie von unten brauchen wir ihre Festigung und Entwicklung.

„Armut ist mehr als wenig Geld zu haben. Armut heißt in einem reichen Land wie unserem, neben dem Einkommen in Lebensbereichen wie Bildung, Wohnen, Gesundheit, Freizeit und Konsum strukturell benachteiligt zu sein.“ (Christoph Butterwegge, Universität Köln)

„Das Elend hat heute ein schrecklicheres Ausmaß angenommen als in jeder anderen Epoche der Geschichte. Mehr als 10 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben pro Jahr an Unterernährung. … Diese Kinder werden nicht von einem objektiven Mangel an Gütern vernichtet, sondern von der ungleichen Verteilung dieser Güter. Also von einem künstlichen Mangel.“ (Jean Ziegler, Universität Genf und Sorbonne)

Zur Person:

Antonio Inacio Andrioli ist ausgebildete Agrartechniker, studierte Philosophie,
Psychologie und Soziologie auf Lehramt, spezialisierte sich zum Thema Genossenschaftswesen und erlangte anschließend den Master in Erziehungswissenschaften. Er hat bis 2006 am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück promoviert (als Stipendiat des EED) zum Thema ”Biosoja versus Gensoja: Eine Studie über Technik und Familienlandwirtschaft im nordwestlichen Grenzgebiet des Bundeslandes Rio Grande do Sul/Brasilien”. Die Dissertation ist im Januar 2007 als Buch beim Peter-Lang-Verlag in Frankfurt erschienen.

In seinem Aufenthalt in Deutschland seit 2001 hat Andrioli 152 Vorträge gehalten und hat für seine akademische Leistung und sein sozialpolitisches Engagement 2004 den DAAD-Preis für ausländische Studierende bekommen, was ihm im Jahr danach (2005) die Gelegenheit gab, mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Friedensnobelträgerin Wangari Maathai auf der Podiumsdiskussion des 30. Evangelischen Kirchentages in Hannover über Nord-Süd-Konflikte zu diskutieren.

Kurz vor seiner Rückreise nach Brasilien 2006 erschien sein Buch beim emu-Verlag in Lahnstein: ”Agro-Gentechnick: Die Saat des Bösen. Die schleichende Vergiftung von Böden und Nahrung”, das er zusammen mit Richard Fuchs beim jährlichen Treffen der Gesundheitsberater herausgab, deren 1. Ausgabe (2 Tausend Exemplare) bereits ausverkauft ist. Die portugiesische Version des Buches wird in diesem Jahr in Brasilien erscheinen.

Seit 2007 arbeitet er als Dozent an einer Uni in Südbrasilien. Vorlesungen und Forschung u.a. zum Thema Technik und Familienlandwirtschaft und die Organisation des II. deutsch-brasilianischen Seminars zum Thema Nachhaltige Entwicklung. Er ist gerade als Forscher des CNPq (Nationaler Rat zur Wissenschaftlichen und Technischen Entwicklung der Bundesregierung Brasiliens) aufgenommen worden.

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