Zur Verdeutlichung:
Wenn ein Biotop mit umweltpädagogischer Anleitung angelegt wird, Nistkästen aufgehangen werden, „Rad statt Auto“ propagiert wird, dann gehört das in den Bereich der Umweltpädagogik. Wenn Eine Welt Gruppen z.B. für ein Waisenhaus Geld sammeln und nur dafür Informationsarbeit machen, dann ist auch das wichtig, aber kein Globales Lernen.

Was wird unter Globalem Lernen verstanden?
Es hat sehr viel mit „Entwicklung“ zu tun. Wir sehen Entwicklung als ein umfassendes Phänomen, dessen Ursachen und Folgen lokal und überregional, also global gesehen werden müssen. Auch unsere Gesellschaft steht vor der Aufgabe, den Weg einer zukunftsfähigen Entwicklung zu beschreiten, einer Entwicklung, die unserer sozialen und ökologischen Verantwortung Rechnung trägt. Es geht um eine Entwicklung, die nicht länger die Lebenschancen von Menschen in anderen Teilen der Welt und die Zukunftsperspektiven zukünftiger Generationen beschneidet.

Das im Norden verwirklichte Wohlstandsniveau ist nicht weltweit umsetzbar. Deshalb ist Deutschland nach den Maßstäben einer global zukunftsfähigen Entwicklung fehlentwickelt, d.h. auch ein „Entwicklungsland“.

Der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nicht-Regierungsorganisationen e.V. (VENRO) zeigt die Richtung in seinem entwicklungspolitischen Positionspapier von 2000:

„Globales Lernen zielt auf die Ausbildung individueller und kollektiver Handlungskompetenz im Zeichen weltweiter Solidarität. Es fördert die Achtung vor anderen Kulturen, Lebensweisen und Weltsichten, beleuchtet die Voraussetzungen der eigenen Positionen und befähigt dazu, für gemeinsame Probleme zukunftsfähige Lösungen zu finden“.Das setzt eine Abkehr von paternalistischem Entwicklungshilfedenken und von eurozentristischen Vorstellungen voraus.

„Globales Lernen, das zur Solidarität mit den Armen führen will, nimmt nicht nur die Notlagen individueller Existenz, sondern auch die politisch ökonomischen Rahmenbedingungen in den Blick… Auch unsere Gesellschaft steht vor der Aufgabe, den Weg einer zukunftsfähigen Entwicklung zu beschreiten, einer Entwicklung, die unserer sozialen und ökologischen Verantwortung Rechnung trägt..“

Zu den Elementen Globalen Lernens zählen:
* Das Leitbild einer zukunftsfähigen Entwicklung (siehe Agenda 21-Vorstellungen)
* ein Menschenbild, das politische Handlungsfähigkeit, „empowerment“, Selbstbestimmung und die Fähigkeit zur Selbstorganisation als Voraussetzung von persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklung ansieht;
* eine Methode der Ganzheitlichkeit und der Vielfalt des Lernens, die auf einen partizipatorischen, lebenslangen Lernprozess zielt;
* das Lernziel der Befähigung der Menschen zu selbstgesteuertem lernen, zur Wahrnehmung von Globalität und zur Mitgestaltung der Weltgesellschaft.

GLOBALES LERNEN
steht für einen Lernprozess,
der Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Urteilen und Handeln
miteinander verbindet.

Einige Informationen über Konzepte und Ansätze, die zur Entwicklung des GLOBALEN LERNENS beigetragen haben:

* Die Empfehlung der UNESCO über „Erziehung für internationale Verständigung, Zusammenarbeit und Frieden“ aus dem Jahre 1974, als “ eine Form des Lernens und eine Weise des Denkens, die Menschen dazu ermutigt, die Verflechtungen zwischen lokaler, regionaler und globaler Ebene aufzuspüren und sich mit gesellschaftlicher Ungleichheit auseinander zu setzen“(…).
* Wichtigster Bezugsrahmen sind die Konzepte der „entwicklungspolitischen Bildung / Dritte-Welt-Pädagogik“
* wichtige Impulse ab den 70er Jahren gibt es durch die „Pädagogik der Befreiung“ von Paulo Freire und die Impulse der „educación popular“ aus Lateinamerika; u.a. aufgegriffen, verbreitet und für Deutschland weitergedacht vom AK Pädagogik Paulo Freire bei der Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreise (AG SPAK) im Sinne der Aussage Freires: Was wollen wir erkennen – für wen wollen wir erkennen – gegen wen wollen wir erkennen. Weitere Impulse waren die „Theologie der Befreiung“ aus Lateinamerika, das „ökumenische Lernen“ der Kirchen, und andere.
* ab den 70er Jahren entsteht im englischsprachigen Sprachraum der Begriff Global Education,
* 1990 setzt der Kölner Bildungskongress und der Nachfolgekongress „Bildung 21 – Lernen für eine gerechte und zukunftsfähige Entwicklung (2000) wichtige Impulse,
* Impulse kommen im Rahmen der Agenda 21 vom UN-Gipfel für Umwelt und Entwicklung, 1992 in Rio de Janeiro.
* Durch das Schweizer Forum „Schule für Eine Welt“ wurde 1995 erstmals Begriff und Struktur des Globalen Lernens eingeführt.
* Später kam die Diskussion über eine Bildung zur nachhaltigen Entwicklung hinzu, u.a. durch die Bundestagsentschließung 14/3319 vom Juni 2000, sowie die Veröffentlichungen von Prof. Gerhard de Haan (Deutsches Nationalkomitee für die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“).
Wichtig ist die Diskussion um die Integration zahlreicher bisher getrennter pädagogischer Arbeitsfelder wie der Friedenserziehung, der Menschenrechtsarbeit, der Umweltpädagogik und dem interkulturellen Lernen. Dabei sollen die jeweiligen Organisationen dieses aus ihrer Praxis und theoretischen Reflexion heraus entwickeln.

Wissen und Tun muss zusammen gebracht werden:

Für uns geht es beim Globalen Lernen nicht nur um eine Strategie, die Menschen zum Verständnis der Welt, in der sie leben, befähigen soll, „es bezeichnet vielmehr auch eine spezifische Form des Handelns zur Neugestaltung der Welt, um Menschen dabei zu unterstützen, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilhaben zu können“. (European Charter on Global Education). Hier haben wir auch die politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen in der „globalen Welt“ im Blick. Dabei ist auch Stellung zu beziehen gegen die Kräfte, die die Ursachen von Armut fördern. Diejenigen, die im Rahmen ihres Engagements, ihrer Bildungsarbeit für weltweite Gerechtigkeit tätig sind, werden diese Kräfte als ein Gegenüber erleben. Diese wollen die notwendigen Veränderungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung nicht. VENRO sagt dazu: “Es kann gerade als Indiz für die Wirksamkeit Globalen Lernens gewertet werden, solche Interessenskonflikte zu identifizieren und zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen zu machen“.
In diesen öffentlichen Auseinandersetzungen sind unsere Kampagnen und Aktionen zu verorten wie: „München gegen ausbeuterische Kinderarbeit“, die Städtepartnerschaft München-Harare, „ethisch-ökologischer Umgang mit Geld“, Fairer Handel etc.
Wir sollten sogar sagen: Da, wo es nur bei der Informationsvermittlung (mit aller guten Methodenvielfalt) bleibt, ohne auf Handlungsalternativen einzugehen, handelt es sich oft um eine Mogelpackung. Das ist auch der Fall, wenn von Unternehmen und Politik eine „nachhaltige Bildung“ dergestalt eingefordert wird, dass z.B. die Fremdsprachenkompetenz der Jugendlichen erweitert werden soll, weil dies den „Standort Deutschland“stärkt. Wer interkulturelle Techniken für „Geschäfte mit Chinesen“ anbietet, kann das tun, soll aber das nicht als Globales Lernen etikettieren.

Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, 1998, stellt fest, dass höchstens 2% der schulischen Unterrichtszeit den Schlüsselthemen unserer Zeit, „Entwicklung und Umwelt“ gewidmet sind. Hier ist noch ein großes Potential, das Lebenswelt, Heimat und Identität, individuelle Lebens-und kollektive Entwicklungsperspektiven als Themen einbeziehen kann, die ja gar nicht mehr anders als im Welthorizont begriffen werden können.

In München sollte dringend durch unsere Initiative „Münchener Bildungsoffensive für Globales Lernen“ der Anteil und Angebote für diese überlebenswichtigen Bereiche (mit Formen des Aktiv-Werden-Könnens) erhöht werden. Strukturelle Veränderungen sind unbedingt notwendig, denn es handelt sich ja beim Globalen Lernen um kein neues Unterrichtsfach, sondern um eine „Querschnittsaufgabe“, die die sachliche Perspektive (über die Themenbereiche), die räumliche Perspektive (global denken – lokal handeln), die soziale Perspektive (Handlungskompetenzen erwerben) sowie eine strukturelle Perspektive („Andockstellen“ in den Schulen für diese Themen und Aufgaben) einbeziehen muss.

Einige Literaturhinweise:
Globales Lernen in der Volkshochschule Nr. 51, Bonn, 2005 / „Globales Lernen als Aufgabe und Handlungsfeld entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen“, Dezember 2000 (www.venro.org/publikationen/venro-arbeitspapiere.php) / Seitz Klaus: Praxis Politische Bildung, 2001 / Scheunpflug/Schröck in Handbuch politische Bildung 2002 / ;Forum Schule für Eine Welt“, Jona CH / I.R.Marcus, T.u. H. Schulze: Globales Lernen, Projekte, Prozesse, Perspektiven, München,1995)

Heinz Schulze (Vorstand Nord Süd Forum München) August 2006

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