23.10.1997 war dummerweise genau der 50. Geburtstag des Oberbürgermeisters, was uns keiner gesagt hatte. Und fast alle Stadträte waren dort. Bis auf eine, Jutta Koller, die den Vorstellungen der Szenen durch Augusto Boal aufmerksam folgte.
Forumtheater–Szenen, durch das Publikum zu verändern, wie sie in Rio de Janeiro damals benutzt wurden, die Anliegen der Bevölkerung in Gesetzesvorlagen zu verwandeln.
Dazu gehörte in Rio natürlich noch ein breiterer Abstimmungsprozess: Zuerst diskutieren die verschiedenen Gruppen die Lösungsvorschläge auf Fiestas, den regelmäßigen Treffen der Bürger- und Umweltforen, bis die Mitarbeiterinnen im Mandat (ein Stadtrat / Senator / Vereador hat dort eine Reihe von Mitwirkenden, auch aus Jura und Verwaltung) einen abstimmungsfähigen Vorschlag für das Stadtparlament formulieren.
Eine Reihe von Vorschlägen wurde im Parlament angenommen, über 60 wurden ausgearbeitet, zum Teil in die zuständigen Landes- und Bundesparlamente weiter gegeben, wie Diskriminierung von Behinderten und queeren Personen.
Wir hatten in den vielen Workshops, die Kolleginnen aus etlichen europäischen Ländern anleiteten und im Workshop mit Augusto Boal einige Themen erarbeitet und in einer symbolischen Aktion einem Publikum im Rathaussaal vorgestellt, Augusto hatte einen kleinen Bericht geschrieben und der englischen Ausgabe seines Buches „Teatro Legislativo“ angehängt: „Legislative theatre“ bei Routledge London New York 1999.
Eine deutsche Ausgabe wird es wohl nicht geben, aber etliche Internet -Seiten wie von http://Harald-Hahn.de auf http://legislatives-theater.de und youtube-Filme seiner Rede im Justiz-Palast Wien und Anwendungen in anderen Ländern, die noch zu recherchieren wären – oder sind unsere Parlamente und Parteien inzwischen so Lobby-zerfressen, dass keine Hoffnung mehr besteht?
Beim Jahrestreffen von Zukunftswerkstatt-Moderierenden in Salzburg am 22.10.22
kam die Rede auf autonome Lernformen, was auf Paulo Freire zurück zu führen ist, der mit der Pädagogik der Unterdrückten den Hintergrund für das Theater der Unterdrückten von Augusto Boal geschrieben hatte: Jedes Kind möchte selber lernen, und die Lern-Autonomie wurde nie konsequent auf unsere Ausbildungs- und Schul-Situationen angewandt.
Als „marxistisch“ diffamiert, wie hierzulande gelegentlich Robert Jungk, der als jüdischer Wandervogel vom Atom-Kritiker zum Zukunftsforscher wurde, und mit der Zukunftswerkstatt nach demokratischen Formen für Bürgerbeteiligung suchte, heute vielleicht ein Einstieg in die Organisation der Bürger- und Jugend-Räte
„Wir haben das, was ich eine Analphabeten–Demokratie nenne. Die meisten Menschen begnügen sich damit, ein Kreuzchen auf den Stimmzettel zu machen. Genau das ist das Verhalten von Analphabeten.“ Robert Jungk
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