Eva Strasser: Redaktion Lora Kultur auf Radio Lora München 92,4

Der Herrgott wird´s schon richten, hieß es früher.

Heute sind „die da oben“ die Politiker. Die werden´s schon richten, meint das Volk und lehnt sich für vier Jahre zurück, nachdem es seine Stimme abgegeben hat.

Aber was treiben die eigentlich da oben, die Politiker und die Parteien?
Sie geben uns Grund zum Jammern, die Ersatzhandlung der Ohnmächtigen. Doch: Dampf ablassen allein genügt nicht. Wer jammert, handelt nicht.

Wer mitRedet, der mischt sich ein. Der erhebt seine Stimme gegen die Verhältnisse, die ihm nicht passen. Der schlägt mit Worten zu, nicht mit Fäusten. Friedlich. Der übernimmt Verantwortung.

Mit der Verantwortung taten sich die Deutschen ja immer schwer, autoritätsgläubig & autoritätshörig, wie sie nun mal erzogen sind. Wo lernen wir also mitReden in dieser Gesellschaft? Familie, Schule, Beruf sollten unsere geistigen Exerzierplätze sein. Doch ist es nicht vielmehr so, dass überall die Probleme unter den Teppich gekehrt werden?

Verdrängung ist eine Meisterin aus Deutschland. Im besten Fall laufen die Debatten, die wir führen, ins Leere. Ein eigener Standpunkt gilt als aufmüpfig und ungebührlich. Und dabei ist ein Standpunkt wie ein Standbein, auf dem man steht und durchs Leben geht.

Die Demokratie ist eine Regierungsform, bei der im Gegensatz zur Diktatur der Wille des Volkes ausschlaggebend ist. So steht es im Duden.

Doch unsere Demokratie ist eine formale, keine angewandte; an konkreter Demokratie herrscht Mangel. Und wenn mal irgendwo nachgedacht wird über die Demokratie, kommt so ein bürokratisches Wortungetüm wie die Bürgerbeteiligung heraus, was so sozialpädagogisch und unpersönlich klingt, dass sich keiner beteiligen möchte und die linken Zirkel unter sich bleiben.

MitReden ist für alle da. MitReden ist die erste Form von Willensbekundung: Ich tue kund, was mir passt und was nicht. Der mündige Bürger macht seinen Mund auf und bezieht Stellung. Wer seinen Mund hält, erklärt sich stillschweigend einverstanden – und darf sich nicht wundern, wenn über seinen Kopf hinweg andere entscheiden.

MitReden ist die Vorstufe von MitEntscheiden. MitReden hat Tradition. Der Streit ist die Mutter aller Dinge! sagten die alten Philosophen, die viel und mit Leidenschaft debattierten. Debattieren heißt, rhetorische Standpunkte einnehmen, um sich der Wahrheit zu nähern.

Debattieren heißt nicht: siegen, sich gegenseitig todschlagen mit Argumenten. Debattieren will gelernt sein. Learning by talking. Die Regeln sind klar: Pro und Contra, zwei Gegenpole, die Statements sind vorbereitet, Redezeitbegrenzung für jeden. Es herrscht keine Narrenfreiheit; niemand kann quatschen, solange er will.

Ja, aber… Da kommt sie schon, die typisch deutsche Reaktion, wenn einer eine Idee hat. Aber… ist ein Debattierclub nicht das ideale Forum für Selbstdarsteller? Selber schuld, wer sich blenden lässt von Fake & Hype. Das wird ja wohl zu verhindern sein, dass der Hyde Park zum Hype-Park wird.

Aber… ist eine Debatte nicht l´art pour l´art? Nein, denn Veränderung beginnt im Kopf, und Debattieren ist die beste Methode gegen Vorurteile und Verkalkung.

Schafft ein, zwei, viele Debattierclubs!
Wir sind Deutschland – aber nur, wenn wir mitReden und nicht nur Stimmvieh ohne Stimme sind!

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