„Ein weiterer Zuwachs materiellen Wohlstands, wie wir ihn kennen, gefährdet unsere Lebensgrundlagen”, sagt Experte Paech. Er verweist auf die Klimaerwärmung. Auch der Umbau zu einer vermeintlich grünen Wirtschaft verspreche keine wirklich Entlastung. „Selbst Dienstleistungen sind enorm materialintensiv. Moderne Studenten verfliegen viele Liter Kerosin.”

Auf sparsamere Lebensmodelle umsteigen
Paech zieht daraus die Schlussfolgerung, dass wir auf sparsamere Lebensmodelle umsteigen müssen, wie sie sich in der Münchner Zeitbank ankündigen. „Wir werden unser Leben teilweise entkommerzialisieren”, sagt er. „Auch das Sozialsystem kann dann nicht mehr alle Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die heute üblich sind. Als moderne Selbstversorger müssen die Menschen manche Tätigkeiten in Eigenregie übernehmen.”

Dies ist eine Sichtweise auf die Entwicklung, doch es gibt konkurrierende Perspektiven. Der Würzburger Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger sagt: „Wirtschaftswachstum ist nicht unbedingt nachteilig für die Umwelt.” Gleichwohl bezweifelt auch er den Sinn der ewigen Mengensteigerung und weist darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich nur noch um ein Prozent jährlich gewachsen sei – erheblich weniger als in den Boomzeiten der alten Bundesrepublik.

Muss das ein Problem sein? „Grundsätzlich kann unsere Gesellschaft auch mit einer Zunahme des BIP von durchschnittlich nur einem Prozent pro Jahr zurechtkommen”, so Bofinger, der auch die Bundesregierung berät. „Unser Wohlstand würde sich innerhalb der kommenden 70 Jahre verdoppeln.” Auch nicht schlecht – wenngleich man sich dann mit der Aussicht anfreunden muss, dass die Summe des jährlich zusätzlich zu verteilenden Wohlstands im Gegensatz zu früher bescheiden ausfällt.
Künftige Generationen müssen in Bildung investieren

Während der Spielraum enger wird, steigen gleichzeitig die Kosten und mit ihnen die öffentlichen Ausgaben. So müssen die künftigen Generationen einen riesigen Staatsschuldenberg abtragen, mehr Mittel für die Absicherung und Pflege älterer Menschen aufwenden und Milliarden Euro in ein besseres Bildungssystem investieren. Woher sollen diese Summen kommen?

„Wirtschaftswachstum ist nötig”

Die Debatte, ob Deutschland auch ohne oder nur mit kleinem Wirtschaftswachstum klarkommen kann, hält der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, Christoph Schmidt, für aus der Zeit gefallen. „Wirtschaftswachstum ist kein Luxus, sondern nötig, damit sich unsere Gesellschaft in den verschiedensten Bereichen weiter entwickeln kann”, so das Mitglied im Sachverständigenrat.

Möglicherweise wird das eine Prozent BIP-Wachstum nicht reichen, um die wachsenden Ausgaben zu bestreiten. Künftige Bundesregierungen müssen den Bürgern wohl höhere Steuern und Sozialbeiträge abverlangen. Konkret könnte das bedeuten: Mancher Beschäftigte, manche Familie, vielleicht die Mittelschicht insgesamt, hat später weniger Geld für den Konsum zur Verfügung. Muss sich Deutschland auf eine neue Bescheidenheit einrichten?

Die heikle Aufgabe besteht darin, einzelne gesellschaftliche Gruppen entsprechend ihrer Leistungskraft so heranzuziehen, dass der soziale Friede gewahrt bleibt. Bofinger: „Ohne funktionierenden Sozialstaat, der dessen Finanzierung fair auf die gesellschaftlichen Gruppen verteilt, verlieren die Bürger das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft”.
http://www.derwesten.de/waz/wirtschaft/Es-gibt-weniger-zu-verteilen-id2296030.html

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