Von den Anderen immer so behandelt werden, als wäre man eine Andere, ein Anderer …
… gibt dauerhafte Selbstzweifel und irgendwann eine Identitätsstörung, oft zugedeckt durch Alkohol, Ironie, Sarkasmus, Witzelei.
Verwandt der Posttraumatischen Belastungsstörung, die erst einmal unterstellt, „als wäre nichts besonderes geschehen“, als wäre Morden und Soldatenhandwerk ein ganz normaler Beruf, brauchen immer mehr Soldaten eine Rückkehr-Hilfe in ein „normales Leben“, denn Depressionen sind noch die harmlos erscheinende Version: Ehekrisen und Familiendramen, Nachbarschaftsstreit und Amok-ähnliche Eskalationen von Konflikten sind dann öffentlich Aufsehen erregend.
Nun wird auch schon überlegt, welche Folgen die Erlebnisse der Geflüchteten haben, aber das wird sich möglicherweise ebenso in die Zukunft verlagern, wie es die Trauma der Flucht und Gewalterlebnisse, der Vergewaltigungen und des Mordens aus unserem letzten Krieg machten: Sie kommen auch in der zweiten und dritten Generation als unverstandene Ängste, Panikattacken und Depressionen allmählich zum Vorschein, bilden sich in brüchigen Existenzen, gestoppelten Karrieren und ähnlichen Flucht-Traumata ab.
Kriegskinder, Kriegsenkel, Nachkriegskinder
Die Forschung ist schon ein paar Jahrzehnte im Gange, aber die Öffentlichkeitsarbeit geht in den billigen Diagnose-Versionen unter, die oft hilflos zwischen Krankheitsbildern und Medikationen herumirren.
Längst gibt es gute Ansätze in Selbsthilfegruppen, doch die sind immer wieder genau so flüchtig wie die Behandlung, Diagnostik und Forschung in Kliniken und Universitäten.
Eine Parallele: Als Indianer in Vietnam
noch in der Grundausbildung, wird Ivan Star Comes Out nach Vietnam gebracht, drei Tage darauf erlebt er den Krieg, aus dem er am Ende traumatisiert zurückkehrt. Als Indianer macht er dort sehr spezielle Erfahrungen. Nachzuhören: BR2 -Weitwinkel
Trotz der blutigen Geschichte zwischen den Einheimischen und den Siedlern sind Native Americans heute im US-Militär überrepräsentiert. Pro Kopf stellt keine ethnische Gruppe in den USA mehr Soldaten. Von ihnen wird erwartet, dem Stereotyp zu entsprechen, das heißt, dass man von ihnen oft besondere Tapferkeit und Mut sowie zum Teil übernatürliche Fähigkeiten im Kampf erwartete. Und andererseits verstanden viele Vietnamesen nicht, dass diese Menschen, die ihnen doch so ähnlich sahen, in diesem Krieg gegen sie kämpften. BR2 -Weitwinkel
Das Trauma der verbogenen Identität
Wir alle kennen die Situation, mit etwas beschuldigt zu werden, mit dem wir nichts tun haben, für etwas verdächtigt werden, wie einen Diebstahl in der Schulklasse, wo plötzlich alle unter Verdacht stehen. Da entsteht zuerst noch der Ansatz von Gemeinschaftlichkeit, aber auch ganz schnell die Pflege von „Erfahrungen“ als Vorurteil, als Ausschluss und Mobbing.
Eine dauerhafte Form entsteht durch eine Zuschreibung der Schuld und Sozial-Unverträglichkeit, aber auch im eigenen Wissen um eine innere Differenz: Wenn alle immer annehmen, alle wären heterosexuell, oder dann vielleicht analog in homosexueller Partnerschaft, oder zumindest in einer Mann-Frau-Rolle: Was, wenn sich meine Persönlichkeit innerlich ändert?
Die Belastung liegt bei den Belasteten
Wenn die Gesellschaft so tut, als „wäre doch nix dabei“, bleibt die Last bei den Belasteten, und die Technik der Verharmlosung war in der Nachkriegszeit reichlich geübt: Mitläufer und Schuldige schnell getrennt, blieben die Opfer mit irgend einer eigenen Schuld hängen, denn die Täter waren wieder im Dienst: Polizisten und Richter, Staatsanwälte und Geheimdienste.
„A Watschn hat noch keinem gschadt“ war eine schnelle Rechtfertigung der Gewalt in unseren Schulen der Nachkriegszeit, in der die gewalttätigen Lehrer der Nazi-Zeit weiter droschen, und uns das Schweigen zu erlebtem Unrecht beibrachten.
Die Hierarchiegläubigkeit, der Wunsch nach starken Führern ist in Bayern durchgehend geblieben, eine echte Gesprächs- und Dialogfähigkeit müsste in den angstbesetzten Einrichtungen wie Schulen erst wieder gelernt werden.
Trauma lösen: ansprechen können, selbst verstehen
Die Wandlung von Identitäten können wir zwar über die Medien erleben, aber wenn es jeweils eine Heldentat ist, seine Orientierung in den Freundeskreis zu tragen, eine Veränderung zu vermitteln, wird die Last zu groß: Es schleicht sich Resignation ein, die alten Bekanntschaften und Freundschaften lösen sich auf, die neuen Beziehungen sind möglicherweise noch nicht tragfähig genug: Allein sein kann zur Gewohnheit werden.
Tragfähige Freundeskreise
sind in der beschleunigten Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit: Vielen ist die Nachbarschaft zu übergriffig, in den 1970ern sind viele aus ihren Regionen in die ferne Weite der Städte des Landes geflüchtet, um den Familienstrukturen zu entkommen, in den Arbeitsverhältnissen ist die Dauerhaftigkeit und Vertraulichkeit ebenso am Verschwinden … wie fängt es wieder an?
Trauma-Therapie oder Selbsthilfe oder und?
Bisher haben wir in der Selbsthilfe eine strikte Trennung: Nur Selbstorganisation, keine Therapeuten. Kann ein begleitetes Projekt entstehen, das eine dauerhaftes Angebot sichert, das nicht nach Teilnehmenden-Stimmung schwankt?
Tagesstätten, Sozialdienste,
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