Konflikte in Kulturen – der dreissigjährige Krieg …
Wie Niall Ferguson auf Samuel Huntington reagierte*: „Fast alle Konflikte finden innerhalb eines Kulturkreises statt und nicht beim Zusammenprall verschiedener Zivilisationen“ können wir auch in unserer Geschichte eine paar Ecken weiter zurückblicken:
Als die Yugoslawien-Kriege hierzulande auf volles Unverständnis stiessen, nahm ich gerne den Vergleich aus dem 30-jährigen Krieg: Jahrzehntelang kämpften „Christen“ gegen „Christen“, und die siegreichen Katholiken errichteten nach dem langen Völkerschlachten und Bauernrauben nicht nur stolze Kathedralen, sondern auch eine klösterliche Geschichtsschreibung, die eine „katholische Tradition des Volkes“ über Jahrhunderte rückwärts schrieb, wo immer eine christliche Ikone abzuleiten war. Graf Tilly wird noch heute in Altötting als Sieger gefeiert, wie manche Kriegsverbrecher in yugolawischen Provinzen.
Verloren gingen die Reste der nun vollends weg-missionierten keltischen Bauern- und Brauchtumskultur, in nicht mehr zugeordnetem „Aberglauben“ sind alte Bauernregeln, in den katholischen Heiligenkalender umgeschrieben: Versuche, die alten Jahreszeiten- Regeln in den neuen Kalender umzusetzen.
Die 13 Monde und „Freitag, der 13.“ der alten keltischen Kalender, die eine vierzehntage- Woche hatten, bringen noch heute unsichere Gefühle früherer Warnungen zutage: Am 13ten, der immer auch Freya’s Tag war, machte man keine Geschäfte, fastete (übernahm die Kirche), blieb eher zu Hause: Es war der Vor-Vortag des kommenden Voll- oder Neumondes, an dem der Körper Umstellungskräfte braucht, anthroposophische Ärzte operieren nicht, falls nicht dringend, an solchen Tagen.
So manches Kultur-Wissen hat die lange Kriegs- und Siegeszeit überdauert. Das wird bei den aktuellen „Kulturkriegen“ innerhalb und zwischen den Religionen spannend werden: Welches Regional-Wissen wird weiterleben, welche Fronten werden die Familien zerreissen, welche Innovationen werden die Menschen gründlicher zerstören, in den Konsum treiben, welche Familien werden für den Fortbestand ihrer Nachkommenschaften sorgen können?
Unsere nach 60 Jahren immer noch kriegs- und traumageschädigten Kulturen entwickeln einen hohen Individualismus, der sich kaum mehr fortpflanzt, die eingewanderten Menschen aus bäuerlichen Hintergrund sind da weniger kompliziert.
Unsere „herrschenden Religionen“ sind immer noch kaum dialogfähig: Eifersüchtige Kinder ihres selben Jahwe, Allah und Gottvater, lassen sie gern andere für ihre Rechthabereien prügeln:
Die Rolle der eingöttlichen Konfessionen in den yugoslawischen Konflikten werden noch einmal ein spannendes Thema der Historiker: der kroatisch-faschistische Katholizismus, der serbisch-orthodoxe
Kommunismus-Rest, die muslemisch angehauchten gross-albanischen Bergräuber sind die radikalsten Zellen, die den breiten Konsens und das gemächliche Zusammenleben zerstörten:
„In Sarajewo hatten wir alle Feriertage!“ berichtete uns eine Flüchtlingsfrau im Camp auf Prvic 1995, „wir haben immer gebacken und Kuchen gebracht, wenn ein jüdisches Fest, war, Ramasan oder Weihnachten. Wir hatten so viele Feiertage und ein gemeinsames Leben!“
Im großstädtischen Zusammenleben waren die Rechte eher gleich, die Konflikte entstehen mehr an den Grenzen, an den Revierkonflikten und der Angst vor der Übermacht der anderen im Dorf. In manchen kosakischen Dörfern gab es vor den serbischen Übergriffen und der albanischen Reaktion ein buntes ethisches Leben, das mit Berufen und Rollen gut organisiert war: Roma als Musiker braucht man auch heute noch zu jeder guten Hochzeit, die Moschee hatte wenig Bedeutung, die orthodoxen Klöster waren normale Nachbarschaft, bevor sie zum hochgepuschten Symbol der serbischen Macht gerieten, als arbeitsbeschaffende Bau-Ruine in manchen Städtchen, wie hier unten in Prishtina.
Die Kulturen definieren nicht nur die jeweiligen Familien- und Stammesregeln wie Erbfolge, sondern vor allem auch Nachbarschaft, Handel und Gemeinschafts- wie Grenzregelungen.
Die Religionen wollen dazu die „über das Leben hinaus-gehende“ Orientierung geben, greifen dabei aber natürlich in die Feiern und Rituale des Lebens und in die Bearbeitung der Konflikte ein.
Neben positiver Gestaltung war dabei auch hierzulande oft die geschürte Angst wie Hetze an manchem Kirchenaushang zu sehen: „Bedrohung Islam“.“Gefährlicher Islam“ … luden kirchliche Bildungswerke schon vor den neuen Terrorangriffen und -Gesetzen zu Informationsveranstaltungen ein, die hoffentlich differenzierter waren als ihre Überschriften.
Die allerchristlichsten** bayrischen Regenten hatten schon vor Jahren in der Bauordnung festgelegt, daß in Bayern keine Moschee höhere Minarette haben dürfe als die örtlichen Kirchtürme: Auf welche Initiative? Und nun lange Diskussionen um den längst fälligen Moscheebau, nachdem die neue Synagoge in der Mitte der Stadt entsteht.
Natürlich gäbe es genügend leerstehende Kirchen, aber der eifersüchtige Gott will in seiner Trizoidität keine von den andern Konfessionen benutzten Räume … oder sollten sich da nur ein paar verblödete Menschen um die richtigen Hymnen und Gesetze und die öffentlichen Mittel streiten?
Vielleicht sollten wir es doch den „Kampf der Sekten“ nennen? Sekten, die meinen, in unserer ansonsten durch internationales neoliberales Konkurrieren schwierig genug gewordenes Leben in ihre Konkurrenz einspannen zu können?
Sekten, die wie Scientology oder Opus Dei die wichtigsten Posten in Hierarchien und Redaktionen besetzen, geheime Bünde wie alle alten Burschenschaften und kirchlich orientierten Bünde, lichtscheue Drahtzieher der Geschäfte im Hintergrund? Der Waffenhandel profitiert. Auch hierzulande.
* http://www.welt.de/data/2006/03/10/857416.html
** Ironie: Muß im interkulturellen Kontext vielleicht erläutert werden, war eine monarchische Selbstbezeichnung früherer bayrischer Herrscher, die von den aktuellen gerne imitiert werden.
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