Nach seinem reichen Leben bleibt eine wunderbar kräftige Erinnerung:
Er starb genau 12 Jahre nach seinem Vorbild Paulo Freire (Pädagogik der Unterdrückten) am 2. Mai 2009, nach dem er seine Methodenreihe „Theater der Unterdrückten“ benannte, nach dem er seine „Ästhetik der Unterdrückten“ fertig geschrieben hatte.
Wikipedia Abbildung aus Wikipedia
Hamlet und der Sohn des Bäckers
Augusto Boal (1931-2009) war einer von denen, die im vergangenen Jahrhundert das Theater neu erfanden. Er hat das Theater auf die Straßen und Plätze gebracht. Nicht nur in dem er dort satt in festen Häusern spielte. Er entwickelte auch Spielformen, bei denen der Zuschauer nicht sofort wusste, dass er Zuschauer ist. Seine „Schauspieler“ mischten sich unter die Passanten, spielten dort Szenen einer Ehe oder Drogendealer oder was auch immer und die Passanten verhielten sich dazu. Nicht zu einer Aufführung von etwas, denn sie wussten nicht, dass es „nur“ eine Aufführung war, sondern so als wäre es die Sache selbst.
Man kann sich vorstellen, wie viel Training das auf Seiten der Schauspieler voraussetzt. Nicht nur bei der Verstellung, sondern erst recht bei der Aufklärung des Publikums darüber, dass alles nur Theater war. Es gilt mit Zorn und Empörung fertig zu werden, mit dem Gefühl von jungen, frechen Leuten verarscht worden zu sein, die etwas bei einem herausgekitzelt haben, das man lieber nicht in die Öffentlichkeit gezerrt sehen möchte: sei es Brutalität oder Feigheit.
Man denkt sich, dass diese Art von Schauspielerei einem helfen könnte, das Leben selbst als Schauspiel zu betrachten, es also aus einem heilsamen Abstand besser ertragen zu können. Das ist eine Illusion. Wie alle diese Überlegungen, die darauf abzielen, es könnte Rezepte geben, Kniffs, die man nur anwenden brauchte und schon ginge es einem besser. Ganze Industrien basieren auf dieser Hoffnung.
(Wer jetzt Lust auf Boal bekommt, der kann mit der im Suhrkamp Verlag erschienenen Neuausgabe seiner „Übungen und Spiele für Schauspieler und Nichtschauspieler“, NEU hrsg. und übersetzt von Till Baumann, weitermachen.)
Augusto Boal: Hamlet und der Sohn des Bäckers – Die Autobiografie, Mandelbaum Verlag, Wien 2013, hrsg. Von Birgit Fritz, übersetzt von ihr und Elvira M. Gross, 376 Seiten, s/w Fotos, 24,90 Euro.
Wie Erwin Piscator und Judith Malina
hat er als Theaterpädagoge und Inszenierender aus der Tradition der Suche Bert Brechts neue Arbeitsformen entwickelt und gesammelt, sich mit Psychodrama und politischen Bewegungen auseinandergesetzt.
Die Bewegung lebt
vor allem in den Ländern, in denen das Gefühl für Unrecht auf eine dialogische Kultur stößt:
In unseren satten und vom Konsumwahn beherrschten Kulturen ist dafür wenig Reaktion.
Neueste Kommentare