Das Bundesarbeitsgericht hat die Befugnis der Kirchen eingeschränkt, ihren Beschäftigten wegen ihres Privatlebens zu kündigen
Der „Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz“ hat 2002 festgestellt, dass das Eingehen einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft einen schwerwiegender Loyalitätsverstoß darstellt, der zur Kündigung berechtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war diese Wertung für die Arbeitsgerichte bindend.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dagegen 2010 entschieden, dass die Kirchen bei der Kündigung von Kirchenangestellten zwischen den Rechten beider Parteien abwägen müssen. Dem hat sich jetzt das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 08.09.2011 angeschlossen (2 AZR 543/10).
Es ging in dem Urteil um die Kündigung des Chefarztes einer katholischen Klinik wegen Wiederverheiratung. Sie rechtfertigt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht in jedem Fall eine ordentliche Kündigung. In der Pressemittelung heißt es dazu:
„Zwar hat sich der Kläger einen Loyalitätsverstoß zuschulden kommen lassen, dem mit Rücksicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht beträchtliches Gewicht zukommt. Insgesamt überwog jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Dabei fällt in die Waagschale, dass die Beklagte selbst sowohl in ihrer Grundordnung als auch in ihrer Praxis auf ein durchgehend und ausnahmslos der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtetes Lebenszeugnis ihrer leitenden Mitarbeiter verzichtet.
Das zeigt sich sowohl an der Beschäftigung nichtkatholischer, wiederverheirateter Ärzte als auch an der Hinnahme des nach dem Arbeitsvertrag an sich untersagten Lebens in nichtehelicher Gemeinschaft von 2006 bis 2008. Zu berücksichtigen war ferner, dass der Kläger zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre nach wie vor steht und an ihren Anforderungen nur aus einem dem innersten Bezirk seines Privatlebens zuzurechnenden Umstand scheiterte.
Bei dieser Lage war auch der ebenfalls grundrechtlich geschützte Wunsch des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau zu achten, in einer nach den Maßstäben des bürgerlichen Rechts geordneten Ehe zusammenleben zu dürfen.“
Demgemäß ist bei Kündigungen von Lesben und Schwulen durch die Katholische Kirche in Zukunft zu berücksichtigen:
- dass die Forderung der Katholischen Kirche an Lesben und Schule nach lebenslanger völliger Abstinenz den Kern des Rechts auf Achtung ihres Privatlebens berührt,
- ob die Mitarbeiter nach wie vor zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre stehen und an ihren Anforderungen nur aus einem dem innersten Bezirk ihres Privatlebens zuzurechnenden Umstand scheiterten,
- dass die Lebenspartnerschaft ein vom staatlichen Recht anerkanntes familienrechtliches Institut ist mit wichtigen Rechtsfolgen für die Absicherung der Partner (Hinterbliebenenversorgung, Erbrecht, Erbschaftsteuer usw.)
- dass die Kirchen durch das deutsche Melderecht und demnächst auch durch die Lohnsteuerkarten automatisch von der persönlichen und familiären Situation ihrer Mitarbeiter erfahren,
- ob die gekündigten Mitarbeiter schon seit längerer Zeit mit ihrem Partner zusammengelebt haben und ob die Leitungen der Einrichtungen das gewusst und hingenommen haben,
- ob die Einrichtungen auch Mitarbeiter entlassen, die in wilder Ehe leben oder nach der Scheidung ihrer kirchenrechtlich unauflöslichen Ehe wieder geheiratet haben,
- die Funktion der gekündigten Mitarbeiter (Nähe zum Verkündigungsauftrag der Katholischen Kirche? Chefarzt? Pfleger? Reinigungskraft?),
- ob ihr Fall Aufsehen erregt hat und von den Medien aufgegriffen worden ist, so dass die Kirche um ihrer Glaubwürdigkeit willen kündigen musste,
- ob die gekündigten Mitarbeiter ohne weiteres einen gleichwertigen Arbeitsplatz finden können.
Wir haben gekündigten Lebenspartnern bisher geraten, die Kündigung hinzunehmen und nur zu versuchen, eine gute Abfindung zu erhalten. Jetzt raten wir allen Betroffenen, sich gegen Kündigungen zu wehren. Wir unterstützen sie dabei gern. Die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts findet Ihr hier. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Manfred Bruns www.lsvd.de
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