Der zerbrochene Krug als Lustspiel von Kleist baut auf der gleichen Geschichte auf: Der Richter weiß, dass er selbst der Schuldige ist – und versucht doch, die Schuld anderen in die Schuhe zu schieben und das verfahren – trotz Besuches des Revisors – über die Bühne zu bringen.
Unser Pech in Bayern ist, dass der Revisor zum Freundeskreis gehört, und auch die Interessen der Justizministerin nicht an Aufklärung bestehen können: Der Skandal erschüttert wirklich und zu Recht das Vertrauen der Bevölkerung.
Am 23. September 2004 richtete Gustl Mollath einen Brief an Hasso Nerlich, den damaligen Amtsgerichtspräsidenten von Nürnberg. Es war eines von vielen Schreiben, mit denen sich Mollath in dieser Zeit erfolglos an die Justiz in Nürnberg wandte – und der Tenor war immer derselbe: Mollath versuchte, auf dunkle Geschäfte seiner Frau, damals Vermögensberaterin bei der Hypo-Vereinsbank, hinzuweisen. http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-generalstaatsanwalt-verdonnert-kollegen-zum-schweigen-1.1607387
Was wir von dem Generalstaatsanwalt an Aufklärung zu erwarten haben?
…Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich. Der war einmal Amtsgerichtspräsident in Nürnberg. Es handelt sich um den großen und bedeutenden Mann, der keinen der Bittbriefe Mollaths beantwortete. Kafka kannte diesen Nerlich schon. Und heute könnte man froh sein, wenn dieser Mensch nur ein Käfer wäre. Schleimspuren könnte man entfernen.
http://rdzens.blogspot.de/2013/02/mollath-und-sein-generalstaatsanwalt.html
Originialseite verlinkt:
Rechtsanwälte sagen, dass es keinen zweiten Bereich in der Justiz gibt, in dem dermaßen viel im Argen liegt. Sie versuchen daher, ihn weiträumig zu umgehen: Früher plädierte ein Verteidiger, um ein günstiges Urteil herauszuholen, auf „vermindert schuldfähig“; dann kann nämlich die Strafe gemildert werden. Heute ist so ein Plädoyer ein schwerer Fehler: Wenn verminderte Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit attestiert wird, folgt die Einweisung in die Psychiatrie fast automatisch. Die hohen Hürden, die das Gesetz dafür formuliert, werden wortklingelnd übersprungen.
http://www.sueddeutsche.de/bayern/fall-mollath-die-psychiatrie-der-dunkle-ort-des-rechts-1.1533816
Der Richter Adam hatte einen kritischen Revisor, in Bayern haben wir die derzeit oben nicht.Eine Justizreform, die diesen Begriff nicht schändet, wäre für ein demokratisches System absolut notwendig. Zu Kaisers Zeiten war die göttliche Kontrolle zuverlässiger. Die herrschende Staatspartei hat mit fröhlicher Selbstverständlichkeit alle Pöstchen in Griff.
Ob eine der untergeordneten Behörden so großen Mut aufbringt, mit der Hoffnung, dass unser obrigkeitliches System demnächst demokratisch kontrollierbar wird – Gustl Mollath ist es zu wünschen. Jeder Tag des Schweigens der Macht ist ein Tag seiner fortgesetzten Haft und des Vertrauensverlustes von vielen allmählich aufgeklärten BürgerInnen:Den Vertrauensverlust befürchtete Herr Nerlich. Er bekommt ihn, wenn er nicht bald mutig spricht.
Die Wände werden anfangen zu reden, wenn verodnetes Schweigen herrscht.
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